Prolog

Hazel

3 Jahre zuvor … Ich stieß stöhnend die angehaltene Luft aus. Es war eine ganz dumme Idee gewesen, Trixie bei dieser Sache zuzustimmen. Bei meinem lauten Seufzer drehte die sich nämlich sofort wieder in meine Richtung und verdrehte empört die Augen. »Ich weiß, was du denkst. Aber glaub mir, hiermit verdienst du richtig gut. Viel mehr als an einem Abend im Club, vertrau mir!« Trixie legte mir die Arme auf die Schultern und zog mich enger an sich. Ich nickte, sie hatte Recht. Und ich brauchte das Geld.

»Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir nun im Ring die unfassbar heißen Mädchen von Sammy’s Excotics!«, brüllte der Moderator über die Lautsprecher.

Augenblicklich jubelte das Publikum in der Arena los und die Männer grölten. Trixie sah mir noch einmal fest in die Augen, bevor wir beide tief durchatmeten und mit einem Lächeln auf den Lippen winkend den Ring betraten. Trixie hatte uns beide sofort eingetragen, als Samantha mit der Liste für diesen Auftritt durch die Umkleiden gelaufen kam. Natürlich ohne mich zu fragen, ich war an dem Abend eigentlich gar nicht im Club. Sie meinte, es würde bestimmt Spaß machen und ohne mich wollte sie es nicht machen. Der Veranstalter hatte sich schnell für uns entschieden. Wir sollten als so eine Art Halbzeit Attraktion auftreten und blankziehen. Keine Ahnung, ob es sich hier wirklich um die Halbzeit handelte, mit Boxen kannte ich mich absolut nicht aus. Unsere Musik setzte ein und wir fingen an uns zu bewegen, liefen von einer Ecke in die nächste und ließen langsam die Hüllen fallen. Samantha achtete immer darauf, dass wir nicht zu viel zeigten. Sie stand am Rand des Boxrings und beobachtete uns mit scharfen Augen. Das lag auch daran, dass ich noch nicht volljährig war. Wir räkelten uns an den Seilen und aneinander, ehe die neun Minuten endlich vorbei waren und Trixie und ich den Ring wieder lächelnd verließen. Die Menge – oder eher die Männer – grölten weiter. Augenblicklich kam Sam auf uns zu und lächelte zufrieden. »Sehr gut Mädels!«, stieß sie aus, rieb uns über die Oberarme und hielt uns jeder einen dünnen Bademantel hin, in welchen ich mich direkt wieder verhüllte. Lächelnd nickten wir und gingen wieder zu unserer Umkleide, wo sich auch die der Kämpfer befanden. Als ich im Augenwinkel eine Bewegung mitbekam, blieb ich stehen. Trixie und Sam bekamen davon nichts mit, sondern liefen weiter Richtung Umkleide. Aber ich war einfach zu neugierig, um weiter zu gehen. »Es tut mir wirklich leid, aber ich bin nicht interessiert«, hörte ich. Ich lehnte mich um eine Ecke und sah einen wirklich hübschen jungen Mann, der vor einer kleineren Frau stand. Die Frau schmiss sich ihm ja förmlich an den Hals. »Aber warum denn nicht? Ich würde dich die ganze Nacht beschäftigen, klingt das nicht toll?«, fragte sie, während sie seinen Arm umklammerte und ihre Brüste an ihn drückte. »Äh … ne lass mal«, stammelte er und versuchte, sich aus ihrem Griff zu lösen. Ich wusste nicht, was mich als nächstes ritt, aber ich trat um die Ecke rum und kam ein paar Schritte auf die beiden zu. »Baby?«, rief ich laut und erregte damit die Aufmerksamkeit der beiden. Verwirrt blickte die Frau auf und auch der junge Mann sah perplex drein. »Könntest du dich bitte von meinem Freund fernhalten?«, fragte ich nun an die Frau gewandt. Ich griff nach ihrer Hand, die immer noch auf seinen Arm lag, und drückte sie leicht nach hinten. »Dein Freund?«, stotterte sie völlig verdutzt. Nickend lehnte ich den Kopf schief und schaute dem Mann in die wirklich schönen braunen Augen. Die hatten beinahe etwas von Karamell. »Ja, mein Freund, würdest du uns also entschuldigen?«, richtete ich mich an die Frau und schaute dem Mann fest in die Augen, damit er mein Rettungsversuch auch ja nicht vergeigte. Nickend ließ sich der Mann also von mir mitziehen. Schnell übernahm er aber die Führung und zog mich in die nächste Umkleide. Ich konnte noch einen kurzen Blick auf die Beschriftung an der Tür werfen und erkannte einen Namen: JAIL. »Danke!«, stieß er aus, sobald er die Türe geschlossen und meine Hand losgelassen hatte. Ich zuckte mit den Schultern. »Gerne«, erwiderte ich, bevor ich mich abwandte und zurück zu Trixie wollte. »Wie heißt du?«, fragte er mich. Erstaunt blickte ich auf und hielt inne. Ich hätte nicht gedacht, dass ihn das wirklich interessierte. Die Männer im Club interessierten sich zumindest nie dafür. »Hazel«, sagte ich leise und schaute überall hin, nur nicht in sein Gesicht. »Hazel«, wiederholte er, ehe er einen weiteren Schritt auf mich zu kam und mir seine Hand entgegenstreckte. »Ich bin Cole.«

Kapitel 1

Hazel

»Hazel Baby, schnell rein mit dir«, rief mir Jack, unser Türsteher, schon von Weitem zu. Ich umfasste meine Jacke und zog sie enger um mich, heute Nacht war es verdammt kalt. Dankend ging ich einen Schritt schneller auf ihn zu und schob mich an der Schlange vor dem Club entlang. »Danke Jack«, sagte ich und hauchte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. Nickend öffnete er mir die Tür und ließ mich ins Warme. Ich eilte die Theke entlang, um in die hinteren Räume der Bar zu gelangen. »Schatz, kannst du mir deine Schuhe ausleihen? Meine haben den Geist aufgegeben«, richtete sich Wendy an mich, als ich die Umkleiden für die Mädchen betrat. »Klar, nimm dir einfach ein Paar aus meinem Schrank«, erwiderte ich und streifte mir die mittlerweile eigentlich zu alte und kleine Jacke ab. Wendy dankte mir und nahm sich schnell ein paar schwarzer Stilethos aus meinem Spind. »So Mädchen, ihr habt noch fünf Minuten. Zuerst geht Kiki auf die Bühne, Hazel du bist als Zweite dran. Das weiße Kostümchen heute, ja?« Samantha hatte den Raum mit ihrem Klemmbrett und dem obligatorischen Stift in ihrer Hand betreten. »Ja!«, antwortete ich ihr und zog mir schnell die Jeans und das Shirt vom Körper. Samantha war unsere Koordinatorin für die Auftritte abends, außerdem war sie diejenige, die die Mädels einstellte oder feuerte, daher sollte man sich bloß immer gut mit ihr stellen. Ihr gehörte die Striptease Bar Sammy’s Excotics in Las Vegas, in der ich seit nun drei Jahren arbeitete und mich so über Wasser halten konnte. Der Club warf gutes Geld ab, somit konnte ich die Miete für mich und meine Mutter zahlen und uns ein paar Lebensmittel in den Kühlschrank stellen. »Na dann, Ladys, bis später!«, rief Kiki und stolzierte in ihrem orangenen Katzen-Kostüm in Richtung Bühne. Jeder Auftritt ging um die sieben Minuten, daher musste ich mich etwas beeilen, um mich fertig zu machen. Mein Kostüm heute Abend war ein Engel. Sam meinte, die Männer würden darauf abfahren, wenn jemand, der so unschuldig aussah wie ich, in weiß rauskam. Unschuldig war ich aber schon lange nicht mehr. Meine Unschuld hatte ich nämlich an niemand anders als den unfassbar gutaussehenden Cole Bail verloren, dem kleinen Bruder von Profiboxer Jason Bail. Das war jetzt aber auch schon wieder drei Jahre her, damals waren wir noch siebzehn. Er wusste jedoch nicht, dass es mein erstes Mal war. Wahrscheinlich hätte er dann nicht in einer Umkleide der Arena, in welcher sein Bruder seinen ersten Titel geholt hatte, mit mir geschlafen. Aber dennoch war das eine hoffnungslose Sache. Cole war gutaussehend, machte eine vernünftige Ausbildung und hatte genügend Geld. Also alles, was ich nicht war oder hatte. Trotzdem trafen wir uns noch hin und wieder – allerdings nur für Sex. Cole war an mehr nicht interessiert und das war okay, ich würde einfach nehmen, was ich bekam. Dennoch fand Samantha, ich würde Unschuld verkörpern. Sie meinte, es würde an den braunen Augen liegen. Aber durch meine roten Locken, die mir über den Rücken fielen, fühlte ich mich ganz und gar nicht unschuldig. Ich beließ es aber einfach dabei, wenn sie mich als Engel sehen wollte, würde ich ihr das auch liefern. Ich würde alles machen, um diesen Job nicht zu verlieren. Schnell schminkte ich mich nochmal nach, zog die hohen Stiefel an und lief zum Rand der Bühne. Kiki vollführte gerade noch eine Drehung und landete im Spagat auf dem Boden. Die Männer flippten aus und riefen anzügliche Sachen. Scheine flogen auf die Bühne und Kiki sammelte sie keck lächelnd ein. Mit einer letzten Verbeugung, bei der sie ihre Brüste extra etwas nach vorne schob, verließ sie die Bühne und kam auf mich zu. »Viel Spaß, Süße«, sagte sie und küsste mich auf die Wange. Die Mädels waren sowas wie meine Familie. Wir hielten zusammen, teilten alles und redeten über vieles – jedoch sprachen wir nicht über den Grund, warum wir das hier machten. Nie. Wir wussten alle, dass wir kein leichtes Leben hatten. Aber wir hatten einander und passten aufeinander auf. »Und nun, meinen Herren, begrüßt mit mir die süße Hazel auf der Bühne«, sprach Samantha in das Mikrofon und richtete ihre Hand in meine Richtung. Okay, tief durchatmen, Hazel, und los geht’s. Meine Mundwinkel wanderten wie jedes Mal reflexartig nach oben. Mit einem Lächeln im Gesicht machte ich mich auf den Weg in die Mitte der Bühne. Die Männer jubelten und grölten. Dann setze meine Musik ein. »Du warst spitze!«, stieß Wendy aus, als ich die Bühne wieder herunterkam. Sie war als Nächste dran. »Danke«, erwiderte ich und drückte ihr kurz den Oberarm. Ich zog die Scheine aus meinem Kostüm und meinem BH und zählte sie schnell nach. Zweihundert Mäuse. Yeah. Davon würde die Hälfte an Sam gehen, daher hatte ich schon mal einhundert Dollar für mich. Ich arbeitete an sechs Abenden die Woche, die profitabelsten waren am Wochenende, da bekam man pro Auftritt auch mal dreihundert bis vierhundert Dollar. Ich hatte heute Abend noch einen weiteren Auftritt, aber der würde sich noch etwas ziehen, ich hatte also Zeit, mich in die Küche zu schleichen und vielleicht ein paar Pommes zu naschen. Ich zog die Flügel aus und steckte sie an die Kleiderstange, an welcher die meisten Kostüme hangen. Man wurde hier nur eingestellt, wenn man in die Kostüme passte. Das sparte Geld. Jedes Kostüm wurde nur einmal für alle gekauft. Ich zog mir den dünnen Bademantel aus meinem Schrank und legte ihn mir um die Schultern, ehe ich mich auf den Weg aus den Umkleiden und in die Küche machte. Ich trat gerade hinter der Theke vor, als mich ein Kerl von der Seite ansprach. »Hey Süße, du warst unglaublich. Bietest du auch private Shows an?« Ich blickte den älteren Mann vor mir an und schüttelte den Kopf. Die meisten Mädels gaben auch Lap Dances, aber Sex war bei uns verboten. Wir waren immerhin kein Bordell, sondern eine Striptease Bar. »Sicher? Ich verspreche, ich zahle auch gut.« Er umfasste mein Handgelenk und lehnte sich näher an mein Gesicht. Ich zog mich etwas zurück und versuchte zu lächeln – ich wollte ihn bloß nicht verärgern. »Tut mir leid, aber ich tanze nur.« Lächelnd wandte ich mich von ihm ab, um endlich zur Küche zu gelangen. Ich hatte verdammt Hunger, heute früh hatte meine Mom die letzten Eier gegessen und mittags wollte ich nicht aus unserer Wohnung gehen, da ich dann durch unser Wohnzimmer hätte laufen müssen. Und dort saßen die Freunde meiner Mom, denen wollte ich wirklich nicht begegnen. Bevor ich mich jedoch in Richtung der Pommes aufmachen konnte, spürte ich einen Arm, der sich um meine Mitte legte und mich dann fest mit den Rücken an seine Brust presste. Er schob die Hüfte vor, um mich am Po zu berühren. Ich erschauderte und mich überkam ein Gefühl von Übelkeit. Das war der einzige Nachteil an diesem Job: Die viel zu aufdringlichen Kunden. »Lassen Sie mich bitte los«, versuchte ich mit beruhigender Stimme zu sagen. Seine Hand legte sich flach auf meinen Bauch und wollte im nächsten Moment die Schleife an meinem Bademantel lösen. »Hey, die Mädchen werden nicht angefasst!« Erleichtert atmete ich aus, als ich Billys Stimme hinter mir vernahm. Billy war wie Jack von der Security und passte auf, dass alles glatt lief. Neben den beiden gab es auch noch Tom und Andrew, die liefen auch irgendwo hier auf der Fläche rum. Billy kam endlich bei uns an und zog den Mann an meinem Rücken weg. »Nicht anfassen!«, sagte er erneut und stieß ihn von mir. »Sie hat mich völlig heiß gemacht. Dafür kann ich doch nichts.« Abwehrend hob er die Hände und machte einen Schritt nach hinten. Billy schüttelte den Kopf. Er ließ keine Ausreden zu. »Setzen Sie sich auf Ihren Platz, sollte das nochmal vorkommen, fliegen Sie hier raus, verstanden?«, sagte er mit fester Stimme und schaute ihn ernst an. Der Mann nickte schnell und drehte sich um, um zu verschwinden. »Alles klar, Baby?«, richtete sich Billy nun an mich. Billy war schon in seinen Vierzigern und hatte leichte Lachfalten an den Augen. Er war wie der Vater für mich, den ich nie gehabt hatte. Zumindest passte er auf mich auf. »Ja, danke Billy.« Ich lächelte ihm entgegen. »Kein Problem Hazel, wo wolltest du denn hin?«, fragte er mich und schaute mich liebevoll an. »Zur Küche«, murmelte ich leise, eigentlich durften wir uns nicht einfach am Essen bedienen, aber hin und wieder machte mir unser Koch Owen doch eine kleine Portion. »Hat deine Momma wieder nichts gemacht?«, fragte Billy nach. Er wusste, wie es bei mir zuhause war, nachdem er mich einmal nachhause gebracht hatte. Er hatte mitbekommen, dass die Busse abends nicht mehr fuhren und ich dann alleine über den Strip laufen wollte. Daraufhin verfrachtete er mich damals einfach in seinen Wagen. Auf seine Frage schüttelte ich den Kopf. »Na dann komm, ich begleite dich rüber. Nicht dass du nochmal aufgehalten wirst.« Zwinkernd legte er seine Hand auf meinen Rücken und bugsierte mich in Richtung der Küche. »Owen!«, rief ich, als ich die Küche betrat. »Hazel, Schatz!«, stieß er ebenfalls aus, als ich mich ihm näherte. »Darf ich dich wieder um etwas bitten?«, fragte ich und versuchte mit dem Augen zu klimpern. Naja, so gut wie es eben ging. Er legte mir eine Hand um die Hüften und zog mich näher an sich. »Was darf es denn sein?« »Naja, also wenn du noch etwas von deinen super leckeren Pommes übrig hast …« Ich ließ den Satz ausschweifen und schenkte ihm ein breites Lächeln. »Hab mir schon gedacht, dass du kommst. Hier, ich habe dir Pommes mit der Spezialsauce gemacht, die du doch so magst.« Lächelnd schob er mich an die Seite, wo bereits ein kleiner Teller mit besagtem Essen stand. »Danke!« Ich lächelte dankbar und schob mir die erste Pommes in den Mund. »Sehr lecker«, sagte ich kauend. Lachend hielt sich Owen den Bauch. »Beeil dich aber, nicht das Samantha das mitbekommt.« »Hazel, du bist als nächstes dran. Weißt du, welches Kostüm?« Sam kam auf mich zu, gerade als ich meinen Bademantel wieder in den Spind hängte. Nickend richtete ich mich an sie. »Das hellblaue«, sagte ich und hielt es wie zum Beweis in der rechten Hand. »Sehr gut«, sagte sie und wandte sich wieder ab, um zu Lucy zu laufen. Sie würde nach mir dran sein. Ich zog mich schnell um und suchte nach dem Haarreif, der auch zu dem Kostüm gehörte und irgendwo hier rum liegen müsste. »Hazel, hier!«, rief Leila und warf ihn mir rüber. Sie hatte das Kostüm letzte Woche angehabt. Ich bedankte mich und lief wieder in Richtung der Bühne. Ich seufzte. Dann das ganze nochmal von vorne.

Kapitel 2

Hazel

»Holt dich deine Momma ab?«, fragte mich Andrew, in dem Moment, in dem ich und Leila aus dem Club kamen. Andrew hatte mit Jack erst vor knapp einer Stunde die Position gewechselt, sodass er nun für den Einlass zuständig war. Aber der Club würde für heute zu machen, wir hatten bereits vier Uhr morgens. Ich schüttelte den Kopf, meine Mutter saß wahrscheinlich gerade zugedröhnt zuhause auf der Couch und machte mit irgendeinem ihrer ständig wechselnden Lover rum. Außerdem besaßen wir kein Auto, das konnten wir uns gar nicht leisten. Mom brauchte auch keins, sie verließ nicht oft das Haus. Einkäufe erledigte ich und wenn Mom mal verschwand, dann meistens über Nacht zu ihren Freunden. »Tschau Süße, treffen wir uns morgen zum Brunch?«, rief Leila noch, als sie gerade die hintere Tür des Taxis öffnete. »Klar, um eins?« Zur Antwort nickte sie noch, ehe sie im Taxi verschwand. Seufzend schaute mich Andrew an und zog mich an der Schulter wieder zurück, als ich mich schon auf den Weg nachhause machen wollte. »Du läufst doch nicht mitten in der Nacht alleine über den Strip.« Ungläubig blickte er mich an. Andrew schüttelte den Kopf, nachdem ich mit den Schultern gezuckt hatte. Ich lief oft genug alleine nachhause, die Busse fuhren so spät nun mal nicht mehr. Und es war immer alles gut gegangen. »Ich ruf dir ein Taxi, warte kurz«, murmelte er und zog sein Handy aus der Brusttasche. Ich wollte protestieren – ich konnte mir wirklich kein Taxi leisten. Ich hatte heute Abend einhundertfünfundsiebzig Dollar verdient und da würde ich mir sicherlich nicht für dreißig Dollar ein Taxi nehmen. Aber Andrew hielt sich das Handy bereits ans Ohr. Als sich ein ziemlich betrunkener Mann wankend auf den Eingang zubewegte, reichte Andrew mir sein Handy und zog mich hinter sich. Dann stellte er sich dem Betrunkenen in den Weg. »Taxi Vegas, wie kann ich behilflich sein?«, sprach eine nette Frauenstimme auf der anderen Leitung. »Äh«, stammelte ich, während ich zu Andrew sah, der den Mann an der Schulter gepackt hatte und mit einer Armlänge Abstand auf ihn einredete. »Miss?«, fragte die Frau nach. »Äh ja, Entschuldigung. Ich bräuchte bitte ein Taxi zu der Sammy’s Excotics Bar«, sagte ich schnell. Andrew stieß den Mann ein paar Schritte nachhinten und schüttelte den Kopf, ehe er mit dem Finger die Straße runter zeigte. »Zu Sammy’s Excotics?«, wiederholte sie. Ich nickte. »Ja genau.« »Kein Problem, in wenigen Minuten sollte Ihr Fahrer da sein.« Dankend beendete ich das Gespräch. Andrew kam wieder auf mich zugelaufen und ich hielt ihm sein Handy entgegen. Er stellte sich erneut breitbeinig vor die Eingangstür und verschränkte die Arme vor der Brust. Andrew war erst seit knapp einem Jahr als Security angestellt und war auch etwas jünger als die anderen drei. Sein genaues Alter wusste ich gar nicht, aber er müsse Ende zwanzig sein. »Hast du dir ein Taxi gerufen?«, fragte er mit tiefer Stimme und behielt weiter die Menge um uns herum im Blick, selbst so spät war auf dem Strip immer noch viel los. »Ja«, bestätigte ich und drehte mich zur Straße um, als ein kleines gelbes Auto am Rand hielt. Andrew prüfte kurz nochmal die Umgebung, ehe er seine Hand auf meinen Rücken legte und mich Richtung Auto schob. Er öffnete mir die hintere Tür und steckte seinen Kopf durch das Beifahrerfenster. »Fahren Sie sie bitte nachhause«, sagte er zum Fahrer und warf ihm dreißig Dollar auf den Sitz. »Danke!«, stieß ich aus. Andrew zwinkerte mir zu, ehe er sich wieder vom Wagen entfernte. Schnell nannte ich dem Taxifahrer meine Adresse. In unserer Wohnung war es still – fast schon zu still. Normalerweise hörte ich schon vor der Wohnungstür die Stimmen von Mom und ihren Freunden. Aber heute war es ruhig. Ich schloss die Tür schnell auf und trat in unsere kleine Wohnung. Man stand sofort im Wohnzimmer, die kleine Küchenzeile erstreckte sich zu meiner rechten und ein Klapptisch mit zwei Stühlen stand dazwischen. Ich seufzte, schien so als würde Mom über Nacht wegbleiben. Dann konnte ich wenigstens einmal richtig durchschlafen, ohne von dem Krach geweckt zu werden, den sie verursachten. Ich streifte mir die alte Jacke ab und hängte sie an den Haken, der sich direkt neben der Tür befand. Ich schlurfte aus den Turnschuhen und stellte sie darunter ab. Nach einer Dusche, um mir den Schweiß von der Haut zu waschen – ich konnte abends nie ohne eine Dusche ins Bett, dafür fühlte ich mich einfach zu schmutzig – machte ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer, das direkt auf der linken Seite der Wohnung lag. Mom hatte kein eigenes Zimmer. Sie schlief entweder außer Haus oder auf der Couch. Ich hatte ihr damals klar gemacht, dass wenn ich die Wohnung schon zahlte, ich auch Anrecht auf das Zimmer hatte. Mom hatte sich ziemlich schnell geschlagen gegeben, sie sah wahrscheinlich den Vorteil darin, dass das Wohnzimmer fast doppelt so groß war. Wobei das bei neun Quadratmetern auch nicht besonders schwer war. Ich hielt mich sowieso nie im Wohnzimmer auf. Ich schaltete die Nachttischlampe ein. Als ich mir gerade das große Oberteil fürs Schlafen überzog und mich ins Bett kuscheln wollte, vibrierte mein Handy in meiner kleinen Handtasche. Schnell zog ich es hervor und ließ mich seufzend mit dem Bauch auf das Bett fallen.

»Hey, ich bin nächste Woche in Vegas. Sehen wir uns?«

Cole Bail. Schon als ich seinen Namen auf dem Bildschirm las, konnte ich einfach nichts gegen dieses dämliche Gefühl in meinem Magen tun. Die Schmetterlinge flatterten wie wild drauf los.

»Hey, ja gerne.«

Eine ganz simple Antwort. Ich wollte bloß nicht den Anschein erwecken, dass mir unsere Treffen mehr bedeuteten, als sie eigentlich waren. Denn sie blieben nun mal einfach nur Sex. Aber das war für mich auch eine willkommene Ablenkung. Ich schaute schnell auf meinem Handy Kalender nach. Nächste Woche war das große Box Finale in Vegas, wahrscheinlich würde Cole daher wieder mit seinem Bruder und dem Manager – sein Name war mir entfallen – anreisen. Ich konnte nichts gegen die Vorfreude tun, die ich augenblicklich spürte. Es war nun fast vier Wochen her, seit ich ihn zuletzt zu Gesicht bekommen hatte. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass er mir nicht fehlte. So beschissen das auch klang. Cole war eine Nummer zu groß für mich, er spielte einfach in einer anderen Liga und das war sowohl mir als auch ihm bewusst. Aber an meiner Schwärmerei änderte das trotzdem nichts. Ich durfte ihn nur nicht zu sehr einengen, dann könnten wir auch einfach so weiter machen. Mein Handy kündigte erneut eine SMS an.

»Sehr schön! Ich sag dir Bescheid in welchem Hotel wir einchecken.«

Ich schickte ihm einen einfachen Smiley zurück und legte mein Handy beiseite, nachdem ich sah, dass es schon fünf Uhr morgens war. Auch wenn ich vor Aufregung wahrscheinlich gar nicht schlafen konnte. Aber ich musste zumindest versuchen, etwas Schlaf abzubekommen. Ich brauchte ihn dringend, wenn ich mich morgen zum Brunch mit Leila treffen wollte. Leila war eine der wenigen, die den Job tatsächlich nur machte, um sich etwas dazu zu verdienen, obwohl sie es gar nicht nötig hatte. Und es machte ihr Spaß. Sie war auch verdammt gut darin. Mit ihren fast schwarzen Haaren und dem dunklen Teint ließ sie einige Männerherzen höherschlagen. Ich hatte ihr zwar für den Brunch zugesagt, würde mich aber wahrscheinlich mit einem Kaffee begnügen. Ich musste sparen und auf mein Geld aufpassen, ich konnte es mir nicht so wie sie leisten, es für unnützes Zeug auszugeben. Ich hatte gerade so die Highschool abgeschlossen und wollte zumindest an einer Weiterbildung teilnehmen, damit ich vielleicht irgendwann Chancen auf einen echten Job hatte. Strippen könnte ich nicht mein Leben lang, daher musste ein Plan B her und der hieß Altenpflege. Nicht gerade mein Favorit, aber bei dem Job musste man immerhin keinen wirklichen Abschluss vorweisen. Jedoch musste an den Seminaren teilnehmen und die kosteten nun mal verdammt viel Geld. Zum Glück hatte ich noch ein paar Jahre, in denen ich sparen konnte. Stöhnend griff ich nach meinem Handy, um den klingelnden Wecker auszustellen. Es war mittlerweile zwölf Uhr mittags und ich musste mich für das Treffen mit Leila fertigmachen. Seufzend setzte ich mich auf und streifte die Decke von meinem Körper. Ich zog mir einfach irgendein Kleid aus meinem Schrank, momentan war es echt heiß in Vegas, daher sollte das reichen. Ich schlug die Decke auf meinem Bett ordentlich zurück. Als ich leise meine Tür öffnete, hielt ich kurz inne, um zu hören, ob sich jemand im Wohnzimmer befand. Ich musste nur aus meinem Zimmer treten und konnte direkt auf die Couch schauen. Der Fernseher lief und mehrere Stimmen waren zu hören. Ich konnte nicht ganz verstehen, was sie sagten. Ich seufzte – dann mal ab in die Hölle. Hinter mir zog ich die Tür zu und schloss mein Zimmer ab. Das hatte ich mir mittlerweile so angewöhnt, nachdem sich einmal einer von Moms Freunden in meine Unterwäsche-Schublade verirrt hatte. »Guten Morgen«, murmelte ich leise, während ich den schmalen Flur in Richtung Küche lief. »Guten Morgen? Hast du mal auf die Uhr geschaut, es ist bereits mittags«, spuckte Mom mir entgegen und betrachtete mich abschätzig. Ich erhaschte einen Blick auf den eckigen Couchtisch vor ihr. Neben dem vollen Aschenbecher und den leeren Alkoholflaschen lag außerdem eine kleine Tüte mit weißem Pulver. Koks, wie ich annahm. Ich wandte den Blick ab. Mom wurde sauer, wenn ich zu lange hinsah. Schnell lief ich auf die Küche zu und holte mir ein Glas aus einem der oberen Schränke. »Antwortest du mir auch mal?«, blaffte sie mich weiter an. Ich hielt das Glas unter den Wasserhahn und füllte es halb auf. Dann drehte ich mich seufzend wieder um. Mom war immer verdammt angriffslustig, wenn sie trank oder Drogen nahm. »Mom, ich war doch gestern Abend noch im Club arbeiten«, sagte ich leise und trank einen Schluck. Neben Mom saßen auf der Couch noch eine weitere Frau und zwei Männer, aber die kannte ich nicht. Einer der Männer hob seinen Blick und ich konnte spüren wie seine Augen meinen Körper entlangwanderten. Ekel überkam mich. Im Club angestarrt zu werden war etwas ganz anderes als hier. Hier gab es kein Billy, der auf mich achtgab. »Zeig uns doch mal, wie genau du das Geld verdienst«, grinste er mich dreckig an und erhob sich von seinem Platz. Ich schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. »Och, komm schon«, flüsterte er und dachte wahrscheinlich, es würde sich verführerisch anhören. Das tat es aber nicht, es klang einfach nur widerlich. Wieder schüttelte ich den Kopf, aber er legte seine dreckige Hand an meine Wange und fuhr mit dem Daumen darüber. Ich warf einen kurzen Blick in Richtung Mom, aber sie hielt ihren Blick gesenkt. Als ob es sie überhaupt nicht kümmerte. Ich riss mich zusammen, stieß ihm gegen die Brust und flitzte unter seinen Armen davon. Schnell schnappte ich mir meine Schuhe und Tasche und eilte nach draußen. Dann würde ich eben zu früh am Café ankommen und dort warten. Alles war mir lieber, als zuhause zu bleiben.

Kapitel 3

Hazel

»Süße?« Leila schnippte vor meinem Gesicht herum und zog somit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Augenblicklich blinzelte ich mehrmals hintereinander, um mich wieder zu konzentrieren. »Sorry«, murmelte ich und sah ihr wieder in die Augen. »Was ist denn los? Du bist so abwesend und hast deinen Kaffee kaum angerührt.« Sie legte ihre Hand über meine und sah auf die Tasse, welche immer noch unberührt vor mir stand. Sofort umfasste ich sie mit beiden Händen und nahm einen Schluck. Leila wusste nicht was wirklich bei mir zuhause los war. Keiner wusste es. Ich versuchte mein Leben, soweit es ging, privat zu halten. Nur Billy hatte einmal mitbekommen, als Mom sich gerade eine Line gezogen hatte. Sie war völlig ausgerastet, dass er mit mir in der Tür stand, nachdem er mich heimgebracht hatte. Dem Rest der Mädchen und Securities setzte ich einfach die Lüge auf, dass Mom oft weg war und ich mich um den Haushalt kümmern musste – was ja immerhin nicht völlig gelogen war, es war halt nur nicht die ganze Wahrheit. »Alles gut, ich war nur in Gedanken«, sagte ich und lächelte beruhigend. Ich konnte ihr schlecht sagen, dass sich die Situation von vorhin noch immer in meinem Kopf abspielte. »Wie geht’s Ruby?«, fragte ich daher, um das Thema von mir abzulenken. Ruby war Leilas kleine Schwester, aber seitdem ich Leila kannte, war sie quasi so etwas wie Rubys Mutter. Wo sich ihre Mom befand, wusste ich nicht. Aber wie gesagt, wir sprachen alle nicht wirklich über unsere Probleme. Leilas Augen leuchteten auf. »Ruby geht es gut. Sie ist jetzt in der siebten Klasse, so langsam fängt also die Pubertät an, das ist nicht so lustig. Aber ich schaff das schon.« »Wenn ich dir irgendwie helfen kann, lass es mich wissen«, erwiderte ich und lächelte sie an. Leila nickte und nahm einen Bissen ihrer Waffel, bei deren Anblick mein Magen beinahe einen lauten Wal-Ruf von sich gab. Ich hatte heute noch nichts gegessen, aber ich würde mir später einfach noch ein Brötchen holen, zuhause hatten wir noch Erdnussbutter. »Na klar, mach ich. Danke. Aber ansonsten macht sie sich gut. Letzens hatte sie Fragen zu ihren Mathe Aufgaben und ich konnte ihr tatsächlich helfen«, erzählte sie stolz weiter. »Na immerhin. Ich hätte es sicherlich nicht gekonnt.« Grinsend zog ich die Schultern hoch und legte den Kopf schief. »Wie läuft es eigentlich mit Cole?«, fragte sie mich, während sie wieder ein Stück ihrer Waffel aufspießte. Ich versuchte mein Grinsen beizubehalten und so locker wie nur möglich zu reagieren. Leila und Trixie waren die einzigen, denen ich von Cole erzählt hatte, allerdings wusste Leila nur vom Sex. Nur Trixie wusste, was sonst noch so in mir vorging, und das sollte auch so bleiben. Daher zuckte ich abwegig mit den Schultern. »Gut, ich sehe ihn nächste Woche wieder, da ist er wegen der Meisterschaft in Vegas.« Spitzbübisch zog Leila die Augenbrauen hoch. »Also gibt es dann wieder etwas Action?«, grinste sie. Lachend lehnte ich mich weiter in meinen Stuhl. »Ja wahrscheinlich schon«, antwortete ich. Leila seufzte. »Du hast wirklich Glück. Cole sieht verdammt heiß aus.« Ich nickte, das war er wirklich. Leila hatte ihn zwar noch nie persönlich getroffen, aber es gab Unmengen an Bilder im Internet. Sobald man seinen Bruder googelte, tauchten auch sofort Fotos mit ihm auf. Unwillkürlich seufzte ich auf, das mit uns war wirklich ein Dilemma. »Das war wirklich ein schöner Mittag, sollten wir unbedingt wiederholen«, zwinkerte mir Leila zu, als wir uns vor dem Café verabschiedeten. »Ja unbedingt!«, stieß ich aus und schloss sie nochmal kurz in meine Arme. »Sehen wir uns heute Abend im Club?«, fragte ich sie, aber Leila schüttelte den Kopf. »Nein, ich passe heute Abend auf Ruby auf. Aber morgen bin ich wieder am Start.« Lächelnd nickte ich und winkte ihr hinterher, als sie die Straße entlanglief und um die nächste Ecke verschwand. Mein Lächeln erlosch und ich machte mich mit schnellen Schritten auf, um beim nächsten Bäcker noch zwei Brötchen zu erhaschen. Eins könnte ich zuhause gleich essen und das andere kurz bevor ich zur Arbeit gehen würde. Dann musste ich mich nicht wieder in die Küche schleichen und Owen bezirzen, damit er mir etwas von den Pommes abgab. So geräuschlos wie nur möglich drehte ich den Schlüssel im Loch um und stieß die Türe auf. Schon von draußen hatte ich gehört, dass Mom immer noch Besuch hatte und ich wollte so wenig wie nur möglich auffallen. Leise stahl ich mich in die Wohnung und streifte die Schuhe ab. Sie achteten nicht auf mich, als ich in die Küche lief und mir das Erdnussbutter-Glas und ein Messer aus der Schublade zog. »Was machst du denn da?«, murmelte Mom gereizt. Angespannt drehte ich mich um. »Ich … Nichts«, antwortete ich ihr stotternd. Augenverdrehend erhob sie sich von der Couch und kam auf mich zu. Mom und ich waren mittlerweile beinahe gleich groß, ich hatte mein Aussehen von ihr geerbt, allerdings waren ihre Haare mittlerweile ausgeblichener als meine. Wie mein Dad aussah, wusste ich auch gar nicht. Mom erinnerte sich nicht daran, wer sie geschwängert hatte – und sie redete auch nicht gern darüber. »Was hast du da?«, fragte sie und riss mir die Brötchen-Tüte aus der Hand. Seufzend musste ich mit ansehen, wie sie die Tüte öffnete und sich ein Brötchen rausfischte. »Wie lieb, dass du an deine Mom gedacht hast.« Mit ihren blutunterlaufene Augen versuchte sie zu zwinkern, aber es gelang ihr nicht wirklich. Sie kniff mir in die Wange wie einem Kleinkind, gab mir die Tüte wieder und lief mit dem Brötchen zur Couch. Ich blieb einen Moment wie angewurzelt stehen, ehe ich mich mit schnellen Schritten aufmachte und in mein Zimmer verschwand. Hinter mir schloss ich die Türe ab. Wenn ich mich gleich umzog, riskierte ich nicht, dass einer ihrer Freunde hier reinplatzte. Ich setzte mich im Schneidersitz auf mein Bett und holte das Brötchen hervor. Dann musste ich vielleicht später doch noch mal bei Owen nachfragen, oder ich würde mir einfach noch mehrere Löffel Erdnussbutter reinschieben. Seufzend schmierte ich mir mein Brötchen und teilte es in kleine Stücke auf, so würde ich nicht so schnell essen und länger satt sein. Als ich das letzte Stück gekaut hatte, legte ich mich auf mein Bett zurück. Ich hatte noch etwa zwei Stunden, bevor ich mich Richtung Club aufmachen musste. Zu Fuß brauchte man circa vierzig Minuten. Ich schlug das Buch auf, welches ich seit gefühlt vier Monaten las. Grundlagen der Altenpflege. Ich musste mich vorbereiten und ein bisschen Vorwissen würde wahrscheinlich nicht schaden. Ich durfte es mir einfach nicht erlauben, bei einem der Seminare nicht zu bestehen. Als es langsam an der Zeit war, machte ich mich für den Club fertig. Auch wenn ich in ein paar Monaten einundzwanzig werden würde, meinte Sam, dass man mir die Minderjährigkeit zu leicht ansah, daher legte ich immer viel Make Up auf. So wirkte ich älter. Nachdem ich meine Tasche mit allem nötigen Kram gepackt hatte, schloss ich meine Zimmertür wieder auf. Ich müsste mich einfach nur genauso leise rausschleichen wie rein. Niemand würde mich bemerken. »Hey, bring mir nachher noch ein Six Pack von der Tanke mit, klar?«, rief Mom mir entgegen, als ich gerade meine Schuhe anhob, um sie anzuziehen. Ich legte die Stirn in Falten. »Mom, ich habe kein Geld fü-« Sie schnitt mir das Wort und kam mit erhobenem Zeigefinger auf mich zu. »So habe ich dich nicht erzogen, widersprich deiner Mutter nicht!«, rief sie und wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht. Ich zog den Kopf ein und nickte. Das Letzte, was ich brauchte, war ein roter Abdruck auf meinem Gesicht. Der würde bei den Kunden wahrscheinlich nicht so gut ankommen. Mom strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht und nickte ebenfalls »Sehr schön!«, sagte sie und drehte sich wieder von mir weg. Ich stieß die angehaltene Luft aus. »Wieso bleibst du nicht einfach hier, Baby?«, rief mir ein Mann zu, der etwa in Moms Alter war. Ich hatte ihn vorher noch nie gesehen, aber wie gesagt, bei Mom wechselten die Lover ständig. Er grinste mich an. »Egal wie viel die dir da zahlen, ich zahl mehr. Versprochen.« Sein Grinsen wurde breiter. Ohne ihm eine Antwort zu geben, wirbelte ich herum und lief aus der Wohnung. »Hazel, springst du heute für Lucy ein, sie hat sich krankgemeldet«, rief mir Sam über den Krach in den Umkleiden zu. Sofort nickte ich. Normalerweise bekam man maximal zwei Auftritte pro Abend, eigentlich hätte ich heute nur einen gehabt. Zwei Auftritte bedeutete auch mehr Kohle, da würde ich nie und nimmer Nein sagen. Außerdem konnte ich von Glück reden, dass Sam mich gefragt hatte. Die anderen Mädchen mussten in der Zwischenzeit hinter der Bühne helfen oder sich vorne im Gästebereich aufhalten. Für Lapdances – die ich sowieso nicht gab – oder einfach, weil die Kerle gerne etwas Gesellschaft hatten. Da bekam man aber nie so viel Trinkgeld wie beim Tanzen. Jedoch hatte ich mich eigentlich schon über eine kurze Nacht gefreut. Ich zog mir das erste Kostüm für diesen Abend an und lief hinter Wendy zur Bühne. Heute war Freitag, daher war die Hölle los. Jack und Andrew standen gemeinsam am Eingang, da sich schon viel zu viele Menschen draußen tummelten. Tom und Billy liefen in den Rängen auf und ab, sie überwachten die Menge hier drinnen. Andrew hatte mich am Eingang abgefangen und sich erkundigt, ob ich gestern gut nachhause gekommen war. Ich bejahte seine Frage und bedankte mich nochmal dafür, dass er das Taxi gezahlt hatte, aber er winkte nur ab. Auf seine Frage, ob mich Mom heute abholte, log ich. Ich wollte nicht, dass er schon wieder ein Taxi für mich zahlte, das war mir einfach viel zu unangenehm. Ich kam schon klar und zu Fuß zu laufen war wirklich nicht so schlimm wie sie dachten. »Hey Sugar, los geht’s!« Wendy stieß mich von der Seite an und ich schaute nach vorne. Sam stand winkend mit den Mikrophonen auf der Bühne und schaute mich an. Augenblicklich regte ich mich und setzte mein schönstes Lächeln auf, während ich auf die Bühne ging. Das übliche Gegröle und Gebrüll begann.

Kapitel 4

Cole

Hazel schickte mir zur Antwort nur noch einen Smiley. Seufzend legte ich das Handy weg und drehte mich auf meinem Bett auf die andere Seite. Die Sache mit Hazel war, dass sie mich beinahe abhängig machte, alles an ihr ließ mein Herz höherschlagen – und dann auch noch diese verdammten Haare. Aber das mit uns konnte nicht klappen. Es würde nicht klappen. Hazel hatte Probleme, ihre Mutter war abhängig, so viel wusste ich, und das erinnerte mich einfach zu sehr an meine Kindheit. Dad war oft auch tage- und nächtelang verschwunden und kam dann zugedröhnt wieder nachhause. Ich wollte und konnte das nicht ein weiteres Mal durchleben, auch wenn mir diese roten Locken nicht aus dem Kopf gehen wollten. Es klopfte an meiner Tür zu meinem Wohnheimzimmer, keine Sekunde später steckte Leith den Kopf herein. Ich legte mir den Arm über die Augen, den ganzen Tag hatte ich im Bett verbracht. Nachdem ich die letzten Tage durchgehend für die Prüfung in BWL geackert hatte und Jasons Kämpfe mehr im Vordergrund standen, hatte ich mir das auch echt verdient. »Hey Mann, Ethan hat gefragt, ob wir mit den Jungs was trinken wollen.« Ich ließ meinen Blick noch einmal auf mein Handy gleiten, aber Hazel hatte sich nach gestern Nacht nicht mehr gemeldet. Ich nickte Leith zu, es würde mir guttun, mal etwas rauszukommen und mich abzulenken. Ablenkung von Hazel schaffen. »Okay gut, wir treffen uns um acht in der Bar«, sagte Leith und wandte sich wieder ab. »Alles klar!«, rief ich ihm hinterher, bevor ich mich vom Bett aufraffte und an mir roch. Jap, ich musste definitiv erst noch duschen gehen. Ethan begrüßte mich schon in dem Moment, als ich die kleine Bar in der Nähe des Campus betrat. Es wurde laute Charts Musik gespielt. Ethan drückte mir augenblicklich ein Glas Bier in die Hand und bugsierte mich zu der Nische, in der auch schon Leith und zwei weitere unserer Freunde saßen. Kade und Benny studierten ebenfalls an der Uni in Phoenix. Ich schlug zur Begrüßung bei ihnen ein und ließ mich auf den freien Platz neben Leith fallen. »Heute sind jede Menge Studentinnen da«, stieß Ethan aus und ließ seinen Blick über die Menge gleiten. »Sieht so aus, als wären viele von der Uni in Prescott rübergekommen«, erwiderte Kade und schaute ebenfalls zu der Gruppe an Mädchen, die sich vor der Theke tummelten und einen Shot nach dem nächsten in sich reinkippten. Bei dem Wort Prescott überkam mich immer noch ein widerlicher Schauer. Seitdem Phoebe, die Freundin meines Bruders, von unserem Erzgegner gekidnappt und nach Prescott verschleppt wurde, verband ich mit diesem Ort nicht gerade die besten Erinnerungen. »Ich denke, ich versuch mein Glück mal«, sagte Ethan und richtete sich auf. Leith klopfte ihm ermutigend auf die Schulter und gab ihm einen Stoß in Richtung der Mädchen. Schmunzelnd betrachtete ich, wie er sich neben der Blondine an der Theke abstützte und sich zwei Schnäpse bestellte, ehe er einen davon in ihre Richtung schob. Ethan und sein hübsches Gesicht hatten manchmal ein viel zu leichtes Spiel. »Wie läuft’s auf der neuen Position?«, fragte ich an Kade gewandt. Kade spielte in der Football Mannschaft unserer Uni auf der Position des Wild Receivers, nachdem sich aber Josh Martin den Meniskus gerissen hatte, wurde er auf die Position des Tight Ends verlegt. Er war der Einzige, der die richtige Statur dafür hatte. Kade zuckte mit den Schultern. »Der Coach sagte ich mach mich gut. Allerdings vermisse ich das viele Laufen als Wild Receiver.« Kade sah in sein Glas, ehe er einen großen Schluck nahm. Ich nickte, mit Football kannte ich mich nur so einigermaßen aus, es war in unserer Familie einfach nie das größte Thema geworden. Bei uns war eben das Boxen vorrangiger. Aber Kade spielte schon seit klein auf Football, selbst sein Dad war mal Profi gewesen, bevor er sich eine Verletzung zugezogen hatte. Mein Handy vibrierte und ich zog es hervor. Eine Nachricht von Logan.

»Hey, hast du dich schon um die Übernachtungen gekümmert?«

Seufzend legte ich das Handy auf den Tisch. Während Logan mit Jason trainierte, war ich für das Organisatorische zuständig, deshalb studierte ich auch Event Management. Allerdings hatte ich mich noch nicht um unsere Unterkunft in Vegas gekümmert. Wir würden aber auch erst nächste Woche hinreisen. Dann würde ich auch endlich Hazel wiedersehen. Schnell tippte ich meine Antwort an Logan, dann wandte ich mich den Jungs wieder zu. »Hat sich Kenna nochmal bei dir gemeldet?« Leith lehnte sich etwas zu mir herüber und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich seufzte. Kenna und ich hatten vor einigen Wochen mal was. Ich hatte ihr von Anfang an klar gemacht, das mehr als Sex nicht drin war. Ich suchte nichts Langfristiges, stattdessen wollte ich mich auf die Uni und auf Jasons Kämpfe konzentrieren. Aber Kenna verstand das anscheinend nicht und hing seitdem wie eine Klette an mir. Ich wimmelte sie ständig ab, aber irgendwie war sie schwer von Begriff. Der Sex war nicht mal gut gewesen, nicht so gut wie der mit Hazel. Ich konnte selbst während ich mit Kenna schlief an nichts anderes denken, als an Hazel und ihre verdammten roten Haare. Die würden mich auch noch bis in den Tod begleiten. »Ja, aber ich reagiere nicht auf ihre Nachrichten. Irgendwann wird es ihr schon noch zu langweilig werden«, sagte ich und blickte kurz zu Leith, als dieser sich grinsend umdrehte und spitzbübisch die Augenbrauen hochzog. »Ja sicher.« Glucksend drehte er sich wieder um und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, bevor er sich erhob und ebenfalls zu der Gruppe Mädchen hinüber lief. »Nun, da waren es nur noch drei«, sagte Benny mit einem Seufzer und stellte sein leeres Glas ab. »Dann hol ich mal Nachschub«, stieß er aus und lief zur Theke hinüber. Benny war der Einzige von uns, der eine feste Freundin hatte. Allerdings war Lilly eher introvertiert, daher begleitete sie uns nicht oft zu der Bar. Lilly erinnerte mich immer ein wenig an Phoebe, als wir sie gerade kennengelernt hatten. »Glückspilz«, murmelte Kade und nickte zu Ethan hinüber. Ich folgte seinem Blick und sah gerade, wie er anfing mit dem Mädchen zu tanzen. Ich musste augenblicklich an Hazel denken. Ihre zarte helle Haut und diese unschuldigen braunen Augen haben mir bereits beim ersten Anblick den Atem geraubt. Als sie mich von dem Mädchen, dessen Namen ich nicht mal wusste, weggezogen hatte und mich damit vor ihrem Generve gerettet hatte, war ich ihr beinahe schon verfallen. Sie verfolgte mich in meinen Träumen. Den dünnen Bademantel, der über ihren zarten Schultern gelegen war, hatte ich ihr schnell runtergerissen. Und das wenige Stück Stoff, das sie darunter trug, verschwand auch relativ schnell. Nachdem wir in der Umkleide miteinander geschlafen hatten, wollte ich sie beinahe gar nicht mehr gehen lassen, so gut fühlte sie sich an. Aber sie wollte nachhause, weil sie am nächsten Tag zur Arbeit mussteIch bestand drauf sie zu begleiten, da ihre Mitfahrgelegenheit anscheinend bereits aufgebrochen war. Sie hatte den Kopf geschüttelt und ihre Haare waren wild in alle Richtungen gehüpft. Aber ich ließ nicht mit mir diskutieren. Das war das Mindeste, was ich tun konnte, nachdem sie wegen mir schon ihre Mitfahrgelegenheit verpasst hatte. Ihr war es unangenehm gewesen, als wir an ihrem Wohnblock gehalten hatten und ich sie mit nach oben begleitet hatte, das hatte ich sofort gemerkt. Ihre ganze Haltung wirkte versteift und angespannt. Als sie die Wohnungstüre öffnete, drehte sie sich zu mir um und wollte sich verabschieden. Aber dann erhaschte ich einen Blick auf das Innere, überall standen leere Bierflaschen rum und mehrere Pillen und Pulvertütchen lagen auf der Zeile in der Küche verteilt. Ich zog die Augenbrauen zusammen und trat etwas zurück. Sie hatte meinen Blick bemerkt, geseufzt und mich entschuldigend angeblickt. Dann schloss sie einfach die Tür. Ich musste mich einen Moment sammeln und mehrmals blinzeln, um mich wieder aus der Vergangenheit zurückzuholen. Das Innere der Wohnung erinnerte mich verdammt nochmal zu sehr an den Wohnwagen, in welchem ich groß geworden war. Keine Erinnerung auf die ich gerne zurückblickte. Ich wusste nicht wieso, aber ich riss ein Stück aus dem Papiermüll der benachbarten Wohnungstür ab, schrieb meine Nummer darauf und schob den Zettel unter dem Türschlitz zu Hazels Wohnung durch. Benny riss mich aus meinen Gedanken, als er mit mehreren Bieren in der Hand wieder zurück an unseren Tisch kam und diese vor uns abstellte. Dankend nickte ich ihm zu, leerte mein Glas in einem Zug und nahm mir ein neues. So viel zum Thema Ablenkung von Hazel schaffen.

Kapitel 5

Hazel

»Wir sind im Caesers Palace.«

Ich wachte heute morgen auf und sofort sprang mir Coles SMS entgegen. Er war also schon hier, zwei Tage bevor das Boxfinale in der Arena stattfinden würde. Die letzte Woche war verdammt anstrengend gewesen. Da Lucy immer noch krank war, übernahm ich viele ihrer Auftritte, dadurch hatte ich allerdings keinen freien Tag in der Woche. Ich wühlte mich aus meiner Decke und nahm mir frische Sachen aus dem Schrank, in die ich hineinschlüpfte. Gestern Abend hatte ich nur einen Auftritt gehabt, daher war ich relativ früh schon wieder zuhause. Als ich mich im Club von den anderen verabschiedete, hielt mich Gott sei Dank niemand auf und ich konnte laufen, ohne Ausreden oder Lügen zu erfinden. Ich hob mein Handy vom dunklen Nachttisch und antwortete ihm.

»Wann soll ich vorbeikommen?«

Vorfreude durchlief meinen Körper, ich würde ihn endlich wiedersehen. Seine braunen Augen hatten mir doch mehr gefehlt, als ich mir eigentlich eingestehen wollte. Ich durfte aber später nicht zu lange bei ihm bleiben, heute war Donnerstag und da musste ich nun mal arbeiten. Sam hatte heute für mich gleich zwei Auftritte, bei beiden sollte ich wieder die Engel-Nummer durchziehen, die kam einfach am besten an. Und was am besten ankam, brachte auch am meisten Geld ein. Mir also recht. Mein Handy vibrierte erneut.

»Sobald du kannst.«

Seufzend senkte ich das Handy in meiner Hand und blickte mich nach meiner Tasche um, dann würde ich mich mal auf den Weg machen. Im Caesers Palace waren sie schon mal untergekommen, daher kannte ich den Weg schon. Von unserer Wohnung aus waren es nur gute dreißig Minuten zu Fuß. Ich stahl mich wieder leise aus meinem Zimmer und schloss hinter mir ab. Ich gab mir Mühe die Geräusche aus dem Wohnzimmer aufzufangen, aber der bekannte Lärm blieb aus. Mom und ihre Freunde waren nicht da. Wahrscheinlich würde sie sowieso noch schlafen, um diese Uhrzeit war sie sonst auch nie wach. Ich lief in die Küche und zog die Milch aus dem Kühlschrank. In einen der Schränke hatte ich eine Packung Müsli versteckt, die meine Mom zum Glück noch nicht entdeckt hatte. Ich machte mir schnell beides in eine Schüssel und schlang es herunter. Ich brauchte irgendwas im Magen, damit der endlich Ruhe gab. Die Lobby war riesengroß und so verdammt nobel, dass ich mich komplett fehl am Platz fühlte. Ich schaute wieder auf mein Handy, unschlüssig ob ich ihm Bescheid geben sollte, dass ich da war, oder mich einfach bei der Rezeption nach seiner Zimmernummer erkundigen sollte. Ich entschied mich für ersteres und schrieb ihm einfach ein kurzes: »Bin da!« Es dauerte keine fünf Minuten, da öffneten sich die Türen des Aufzuges und Cole glitt heraus. Auf seinem kantigen Gesicht zeichnete sich ein ernster Blick ab, er schaute sich in der Lobby um. Als sich unsere Blicke trafen, hellte sich seine Miene augenblicklich auf und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Sofort wanderten meine Mundwinkel auch nach oben, sein Anblick war einfach viel zu schön, als dass ich nicht hätte lächeln müssen. Mit großen Schritten lief er auf mich zu. »Hallo Love.« Cole senkte seine Stimme und küsste mich auf die Wange. Er schlang den Arm um meine Taille und drückte mich an sich. Seufzend lehnte ich mich ihm entgegen und sog seinen Geruch ein. Ja, er hatte mir eindeutig gefehlt. Entweder er oder seine Wärme. Mom war kein besonders körperlicher Mensch, zumindest was mich betraf. Manchmal brauchte ich aber einfach die Zuneigung anderer. Bei seinem Kosenamen für mich, setzte mein Herz immer einen Schlag aus, egal wie selbstbewusst ich auch bei meinen Auftritten wirkte. Wenn mich zig Männer ansabberten und die Lichtstrahler auf mich gerichtet waren. Aber in seinen Armen fühlte ich mich so unglaublich klein und zierlich, sie gaben mir einfach das Gefühl von Schutz. Aber daran dürfte ich mich nicht zu sehr gewöhnen. Cole war nur für wenige Tage hier, danach würde er wieder verschwinden. In sein richtiges Leben. Ich war nur die Ablenkung, ich war ein Zeitvertreib. Aber nicht mehr. Das war mir schon immer klar gewesen. »Hey Cole«, erwiderte ich rasch und riss mich aus meinen Gedanken, als wir uns aus der Umarmung lösten. Sein Arm immer noch um meine Mitte geschlungen, gingen wir auf den Aufzug zu. »Hast du gut hergefunden?«, fragte er und hielt mich fest an seiner Seite. Beinahe hätte ich laut aufgeseufzt, so gut fühlte es sich an. Verdammt, ich sollte mich mal zusammenreißen. Ich hatte mir doch den Vorsatz gemacht, Cole nicht zu sehr einzuengen, sonst würde er das mit uns abbrechen. »Ja, alles gut«, meinte ich und wir warteten, dass der Aufzug auf der richtigen Etage ankam. »Ich hab dich vermisst«, sagte er leise und strich mir die Locken über die Schulter, ehe er seinen Kopf etwas nach unten senkte und mir einen Kuss auf den Hals zauberte. Das hatte er mir noch nie zuvor gesagt, normalerweise hielt sich Cole immer etwas zurück was Süßholzgeraspel anging. Lächelnd neigte ich den Kopf zur Seite, genoss seine Berührungen und antwortete: »Ich dich auch.« Cole zog seine Schlüsselkarte hervor und hielt sie vor den Sensor. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Piepen und wir traten ein. »Wow«, stieß ich aus und blickte mich um. Obwohl es sich hierbei um ein einfaches Doppelzimmer handelte, war es echt verdammt groß und verdammt schön. Allein das Zimmer war bestimmt doppelt so groß wie Moms und meine Wohnung. Wenn sie wüsste, dass ich gerade hier wäre, würde sie mich wahrscheinlich anschreien und mir sagen, dass wir in solchen Kreisen nicht verkehren und diese Art von Menschen nicht zu unserem Leben passt. Ich hatte es schon etliche Male von ihr gehört und jedes Mal wollte ich ihr sagen, dass diese Menschen vielleicht nicht in ihr Leben passten, aber ich wollte nicht ewig wie sie leben. Ich wollte nicht in unserem Apartment verkümmern so wie sie. Irgendwann würde ich von dort wegkommen und frei sein. Eines Tages würde ich in genau diesen Kreisen auch dazu gehören. Sanfte Küsse an meinem Hals und Nacken rissen mich wieder aus meinen Gedanken und ich wandte den Blick aus dem Fenster ab. Stattdessen drehte ich mich in Coles Armen, welche er mir um die Mitte gelegt hatte, und schaute ihm in die braun funkelnden Augen. Er ließ seinen Blick zu meinem Mund wandern. Keine Sekunde später drückte er seine Lippen auf meine und fuhr mit der Zunge über meine Unterlippe. Seufzend öffnete ich für ihn die Lippen und er ließ seine Zunge in meinen Mund schnellen. Stöhnend erkundeten wir einander und ich presste mich mit dem gesamten Körper näher an ihn. Meine Hände wanderten von seinen Schultern zu seiner Brust und dann zu dem Rand seiner Jeans. Die musste unbedingt weg. Viel zu lange war es her, dass wir Sex hatten. Dass ich generell Sex hatte. Ich hatte in den letzten drei Jahren mit niemand anderes als Cole geschlafen. Ich konnte es einfach nicht, niemand zog mich so an wie er. Niemand erregte mich so wie er. Keuchend löste er sich von mir und fuhr mit beiden Händen in meine Haare. Er hob sie zu einem Zopf an und zog leicht daran, somit entblößte ich noch mehr von meinem Hals. Brummend beugte er sich wieder nach unten, um mein Schlüsselbein und meine Schulter zu küssen, welche durch den dünnen Spaghetti-Träger schon frei lagen. »Komm mit ins Bett«, hauchte er gegen meinen Hals und ich nickte, während ich die Augen immer noch genüsslich geschlossen hielt. Cole umfasste meine Hüften und hob mich hoch, ehe er mit mir die wenigen Schritte bis zum Bett lief und mich sanft darauflegte. Sofort befand er sich wieder über mir, zog die dünnen Träger meines Kleides runter und suchte nach dem Reisverschluss an der Seite. Ich nestelte an seiner Jeans und schaffte es den Knopf zu öffnen und den Reisverschluss nach unten zu ziehen. Schnell streifte er sich die Hose und die Boxershorts ab und griff nach seinem Shirt, welches er auch rasch auf den Boden verfrachtete. »Das muss unbedingt weg. Ich will dich nackt sehen.« Seine rauchige Stimme erregte mich nur noch mehr und ich nickte schnell. Das wollte ich auch. Unbedingt. Ich wollte keine Sekunde länger warten. Zu sehr sehnte ich mich nach dem hier, zu lange hatte ich auf ihn gewartet. Bei meiner Reaktion legte sich ein Lächeln auf seine Lippen und er fuhr langsam an meiner Seite entlang, bevor er den Reisverschluss öffnete und mich aus meinem Kleid schälte. Keine Sekunde später fiel ich wieder auf seine Laken und er ließ seine Hand zu meinem Oberschenkel wandern. Seine Nase versteckte er in meinen Haaren und ich hörte, wie er tief einatmete. »Ich habe dich wirklich verdammt vermisst und diese Haare erst«, murmelte er und berührte mit dem Daumen meine Klitoris. Augenblicklich stemmte ich mich seiner Berührung entgegen und stöhnte ihm ins Ohr. »So ist es gut, stöhn meinen Namen, Love. Das macht mich so an«, knurrte er und ließ erneut einen Finger über meine sensibelste Stelle wandern. Wieder bäumte ich mich auf und seufzte. Das hier war gut. Wahrscheinlich würde ich im Nachhinein wieder nicht wissen, wie ich meine Gefühle unter Kontrolle bringen sollte, das Gedankenkarussell würde wieder anfangen sich zu drehen, aber genau jetzt – in diesem Moment – fühlte es sich einfach nur richtig an. Cole öffnete meinen BH und ließ ihn neben seiner Jeans zu Boden fallen, mein Slip folgte ebenfalls, sofort umschlossen seine Lippen meinen Nippel. Seine Hand bewegte sich immer noch über meiner Scham, wenn er so weiter machte, würde ich bereits kommen, bevor er überhaupt in mir war. »Cole«, murmelte ich, da ich es viel länger wirklich nicht mehr aushalten konnte. Ich griff nach seinem Glied und umfuhr mit dem Daumen seine Spitze. Augenblicklich stieß er ein lautes Stöhnen aus und hielt still. Leise wimmerte ich auf, als die kühle Luft meine feuchten Brüste traf, als seine Lippen von meinen Nippeln abließen. »Love, du bist so nass und diese Geräusche. Verdammt.« Er fuhr mit den Fingern durch meine feuchte Spalte und stieß zwei Finger in mich hinein. Mein Gott, das war das beste Gefühl auf dieser Welt. »Cole«, sagte ich erneut leise, als er wieder diesen bestimmten Punkt traf. »Ich weiß, ich weiß«, murmelt er, schnappte sich ein Kondom und streifte es sich über. Sofort war er wieder über mir und hob eins meiner Knie an. »Du bist so bereit für mich, Love. Gott, ich werd irre.« Und mit diesen Worten versenkte er sich in mir. Augenblicklich stöhnte ich laut auf und zog ihn enger an mich. Zuerst rührte er sich gar nicht, wir genossen einfach den Moment, wieder zusammen zu sein. Vereint zu sein. Aber dann bewegte er sich in mir und nahm Tempo auf. Ich umschlang seine Hüfte mit beiden Beinen und hielt ihn enger an mich. Er fühlte sich einfach viel zu gut an. »Jaaaa!«, rief ich und nahm ihn immer wieder auf. »So ist gut. Komm, Hazel. Komm für mich«, raunte er und behielt sein Tempo bei. Ich fieberte mit ihm immer näher auf das Nirwana zu, als wir plötzlich durch einen leisen Aufschrei unterbrochen wurden. Augenblicklich hielt Cole still und er riss seinen Kopf nach rechts. Ich folgte seinem Blick und sah nur noch braune Locken, die hinter der sich zufallenden Tür verschwanden. »Phoebe!«, stieß Cole aus, aber es hatte keinen Sinn mehr. Diese Phoebe war bereits weg. Mich überkam sofort ein schlechtes Gefühl – ein richtig schlechtes. War das etwa seine Freundin? Oh Gott, hatte er sie mit mir betrogen? Ich hatte Cole nie nach einer Freundin gefragt, einfach weil ich es, glaube ich, nicht verkraften würde, falls er eine hätte und mich deshalb abschrieb. Aber er hatte nie wie jemand gewirkt, der seine Freundin betrügen würde. Anderseits wem konnte man so etwas bitte schon ansehen? Ich ließ meine Beine von seinen Hüften gleiten, wodurch sich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete. Als würde er meinen Blick richtig deuten, schüttelte er fast sofort den Kopf. »Das ist die Freundin meines Bruders und der wird wahrscheinlich nicht besonders erfreut sein, wenn er erfährt, dass sie uns beim Sex erwischt hat«, sagte er leise und ließ seine Finger über meine Wange wandern. Ich stieß die Luft aus, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie angehalten hatte. Gott sei Dank, es war nicht seine Freundin. Es war nicht seine Freundin. »Ich habe keine Freundin Hazel«, flüsterte er, ehe er sich wieder zu mir nach unten neigte und mit seinen Lippen meine nachstrich. Beruhigt entspannte ich mich und atmete aus. Er hob den Oberkörper wieder etwas und schaute auf mich hinunter. Dabei hatte sein Blick etwas so liebevolles, dass mein Herz sich zusammenzog. »Alles okay?«, fragte er. Er war immer noch in mir und bewegte vorsichtig die Hüften. Ich nickte und zog ihn an den Schultern wieder zu mir runter. »Ja, alles gut.« Ich wäre immer für ihn bereit, er brauchte bloß mit dem Finger zu schnipsen.
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